Enterprise 2.0: Paradebeispiel Best Buy
Best Buy ist mit 150'000 Angestellten und einem Umsatz von über 30 Mia. US$ (2008) der grösste Elektronik-Discounter der USA. Die rund 1'200 Filialen in den USA, Kanada und China sind in der Regel grosse, mit Elektronik-Geräten vollgestopfte Hallen am Stadtrand mit mehreren tausend Quadratmetern Verkaufsfläche. Gewissermassen Media Markt in gross also. Das Retail-Geschäft mit Elektronik ist - auch in den USA - ein hart umkämpfter Markt mit dünnen Margen von drei Prozent und weniger sowie einer hohen Fluktuation bei den Mitarbeitern. Best Buy behauptet sich sehr erfolgreich in diesem Markt - weil das Unternehmen ständig an seiner Kultur arbeitet und vor allem keine Berührungsängste gegenüber neuen Technologien kennt. 2003 wurde zum Beispiel am Firmensitz in Minneapolis ein neues Arbeitszeitmodell namens "Rowe" eingeführt. Rowe steht für "Results-Only Work Environment", was bedeutet, dass jeder Mitarbeiter wann, wo und wie lange arbeiten kann, wie es ihm gefällt - solange die anstehenden Aufgaben erledigt werden. Was am Ende zählt, ist einzig und allein das messbare Ergebnis. Seit 2007 wird Rowe sukzessive auch in den Filialen eingeführt.
Dieser Text wurde ursprünglich am 23.04.2009 um 14:25 Uhr auf dem mittlerweile eingestellten Corporate Blog von aseantic ag, Biel veröffentlicht. Das Original ist offline. Die Wiederveröffentlichung erfolgt im Sinne des Fair Use unter der GNU FDL 1.2 Lizenz.
Die neue Kultur benötigt neue Technologien
Dieses neue, äusserst flexible Arbeitszeitmodell machte es nötig, die Kommunikation im Unternemen anzupassen. Mit Handy und Instant Messaging konnte seit 2003 der E-Mail-Verkehr reduziert werden. Von da war es nur ein kleiner aber logischer Schritt hin zum Einsatz von Web-2.0-Technologien im Unternehmen. Bei Best Buy kommt eine breite Palette von solchen Tools zum Einsatz:
- BlueshirtNation.com ist das hauseigene Social Network (Screenshots hier);
- als Forum dient WaterCooler;
- der Loop Marketplace ist ein modernes Vorschlagswesen;
- natürlich gibt es mit What I know is ... auch ein Wiki;
- sehr experimentierfreudig ist Tag Trade, ein sog. Prediction Market.
Ein guter Überblick über diese Tools gibt das kurze Corporate Video von Best Buy, welches den Titel "The Company as Wiki" trägt:
Für die Kunden von Best Buy gibt es auch ein Forum, von wo aus man auch zu den Blogs und Twitterfeeds der Mitarbeiter gelangt. Darüber hinaus stellt die Webseite BestBuy.com auch APIs bereit und Kunden werden bereits in der Entstehungsphase neuer Werbespots in den Herstellungsprozess integriert, in dem sie z.B. die Casting-Bänder für die Spots kommentieren können.
Prediction Markets (Prognosemärkte)
Prediction Markets sind virtuelle elektronische Wertpapiermärkte, die über einen eigenen Preisfindungsmechanismus verfügen. Virtuell meint in diesem Zusammenhang, dass im Gegensatz zu den Finanzmärkten keine Rechtsansprüche gehandelt werden und dass der gesamte Handel mit einer fiktiven Währung abgewickelt wird. Die gehandelten Wertpapiere sind ein zukünftiges Ereignis oder (End-)Zustand, z.B. der Umsatz des Monats April oder die Anzahl Tore in einem Fussballspiel. Auf Basis ihrer eigenen Einschätzung können nun alle Beteiligten mit diesen Wertpapieren handeln. Der Endwert der Wertpapiere hängt vom effektiven Ausgang des Ereignisses ab. Der Kurs der Papiere vor dem Endzustand ermöglicht folglich aussagekräftige Prognosen, da der Markt den asymmetrisch verteilten Informationsstand der einzelnen Teilnehmer am effizientesten aggregiert (Hayek-Hypothese). Ein gutes, öffentlich zugängliches Beispiel für einen solchen Prognosemarkt ist Hollywood Stock Exchange (HSX), wo auf den Erfolg oder Misserfolg von Schauspielern und Filmen gesetzt werden kann.
Management im Wandel
Sehr aufschlussreich ist auch folgendes Video, in welchem Bred Anderson, CEO von Best Buy ausführlich über die Web-2.0-Technologien bei Best Buy spricht. Aufgenommen wurde es am Google Partner Forum Zeitgeist 2008. Die ersten viereinhalb Minuten sind leider eine Wiederholung des oben eingefügten Videos.
Interessant ist, was die Einführung der Tools laut Anderson bewirkte: das mittlere und höhere Management wurde regelrecht aus der Fassung gebracht, weil die Entscheide plötlich an der Basis gefällt werden. Ideen von oben hätten nun weniger Gewicht als Ideen, welche aus der Linie kommen. Andersons Gesprächspartner nennt diese Entwicklung treffend einen "almost perfect storm".
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