Wenn der Draht zum Kunden noch aus Kupfer ist

Der IT-Markt zeichnet sich - und das nicht erst seit der Krise - vor allem durch eines aus: den permanenten Wandel. Die Globalisierung führt zu Preisdruck, sinkenden Margen und Konsolidierung. Ständig tauchen neue Mitbewerber auf, die Regeln und bewährte Geschäftsmodelle der Vergangenheit in Frage stellen. Erfolge verbuchen die Akteure zumeist dort, wo der Leidensdruck seitens des Kunden bereits so hoch ist, dass man dankbar zu jeder Lösung greift, die Heilung verspricht. Kurz: Kein Hort der Gemütlichkeit also.

Dieser Text wurde ursprünglich am 19.11.2009 um 17:24 Uhr auf dem mittlerweile eingestellten Corporate Blog von aseantic ag, Biel veröffentlicht. Das Original ist offline. Die Wiederveröffentlichung erfolgt im Sinne des Fair Use unter der GNU FDL 1.2 Lizenz.

In diesem schwierigen Umfeld kann ein vertieftes Wissen darüber, wie die Kunden "ticken" ein grosser Wettbewerbsvorteil sein. Diese Lektion habe ich in der Versicherungsbranche, in der ich früher tätig war, gelernt. Durch gezielte Marktforschung lernt man die Zielgruppen besser kennen: Wo wohnt diese Zielgruppe, wie leben diese Menschen, wie aktiv sind sie, usw. So kann man gewisse Bedürfnisse dieser Zielgruppe aufdecken und das Marketing oder die Produktentwicklung bedarfs- und ziegruppengerecht ausrichten. Ich will jetzt damit nicht behaupten, die Schweizer Versicherer seien hier besonders innovativ. Sie sind es wohl nicht. Dennoch konnten wir bei meiner ehemaligen Arbeitgeberin mit gezielt ausgewerteten Daten einige Erfolge im Cross-Selling erreichen.

Persönliche Erfahrung vor Wissen

Doch zurück zur IT-Branche. Wie hält es eigentlich diese mit der Marktforschung? Genau dieser Frage gingen die beiden Unternehmensberatungen Ecco und Mind Consult in Deutschland nach. Ihre Studie (Summary) kommt zum Schluss, dass die Bereitschaft, externe Experten zu Rate zu ziehen, in der Branche oftmals fehlt und viele Unternehmen ganz auf eine professionelle Marktforschung verzichten. Vielmehr verlässt man sich lieber auf das eigene Bauch- und Erfahrungswissen.

Oft wird Marktforschung ohne die klassischen Instrumente der externen Kundenbefragungen oder anderer primärstatistischer Erhebungsverfahren betrieben. Stattdessen bilden oftmals Gespräche und persönliche Erfahrungswerte die Grundlage für das Wissen über den Markt und sind ausschlaggebend für zahlreiche Entscheidungen. Man legt sich also gewissermassen die eigenen, bequemen Wahrheiten zurecht und verzichtet auf die Ergänzung der internen Sicht über Marktmechanismen und Kundenzufriedenheit mit externen Erkenntnissen.

Kleine bis nicht vorhandene Budgets

Die Studie bemängelt diese gängigen Praktiken und die daraus resultierenden tiefen Budgets für Marktforschung der Unternehmen. Bezeichnend dafür ist zum Beispiel, dass nach Angaben des "Arbeitskreises deutscher Marktforschungsinstitute" in Deutschland nur gerade sieben Prozent der Marktforschungsausgaben aus der IT-Branche kommen. Mit Abstand am meisten für Marktforschung gibt dagegen die Konsumgüterindustrie aus. FMCG ist halt immer noch die Paradedisziplin des Marketings.

Vier von fünf befragten Unternehmen erachten Marktforschung als zu teuer, entweder absolut oder im Verhältnis zum Erkenntniszugewinn. Jedes zweite Unternehmen ist der Meinung, mögliche Ergebnisse bereits zu kennen, zum Beispiel jene über eigene Schwachpunkte im Produktangebot oder Service. Zusätzliche Erhebungen scheinen ihnen daher nicht nötig. Mehr als 40 Prozent sprechen den externen Marktforschern zudem ausreichende Branchenkenntnisse ab. Jedes vierte Unternehmen gibt zu Protokoll, klassische Verfahren berücksichtigten die Besonderheiten des Marktes kaum oder gar nicht. Ursächlich dafür ist - laut den Studienautoren - das Selbstbild der Branchen-Entscheider: Sie sehen sich als Experten und fühlen sich auch ohne Marktforschung gut informiert. Das übrige dazu tun verhärtete Strukturen und Prozesse sowie eine entsprechend gestaltete Unternehmenskultur.

Nur jedes zehnte Unternehmen bewertet den Grad der eigenen Informiertheit als unzureichend.

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