Informationsmonopole vs. offenes Netz
In seinem Buch (Leseprobe hier) erzählt Tim Wu, Professor an der Columbia Law School die Geschichte der Informationsindustrie - Telefon, Radio, Filme, Fernsehen - als eine Geschichte, die jedesmal wieder von freien Systemen hin zu Monopolen führte. Dem Internet, fürchtet Wu, wird es nicht viel anders gehen. Aktuell braucht es nicht viel Phantasie, um dieser These zustimmen zu können. Der Backlash von Paid-Content, die zunehmende Appifizierung oder jüngst das Vorgehen von PayPal, Mastercard und Visa gegen WikiLeaks scheinen sie zu belegen. Um so wichtiger ist es, dass eben nicht nur die Software (und bis zu einem gewissen Grad auch die Hardware im Sinne der Endgeräte) offen sind, sondern auch eine offene Infrastruktur geschaffen wird.
In seinem Buch anerkennt Wu zwar, dass Monopole nahtlosen Service, Effizienz, Qualitätsinhalt und manchmal sogar niedrige Preise bieten können. Sein Herz schlägt aber eindeutig für die wilde und wirre Natur des weit offenen Modells, wie es derzeit online ist. So stehen zum Beispiel die Inhalte seiner Webseite unter einer Public Domain-Lizenz. Die Informationsmonopole mögen also stabil sein, führt Wu aus, und sie ermutigen die Entwicklung neuer Ideen, die in ihr bestehendes Geschäftsmodell passen wie beispielsweise die firmengesponserte Brutstätte Bell Labs. Aber sie schalten auch reflexhaft alles aus, was die "schöpferische Zerstörung" (Joseph Schumpeter) umwälzender Erfindungen einzuleiten droht. Eine Art irrationale "Paranoia" (Zitat Wu) hat zum Beipsiel Bell dazu getrieben, die Erfindung der Magnettonbänder durch einen ihrer Ingenieure in den 1930ern zu unterdrücken - sie dachten irgendwie, dies könnte die Öffentlichkeit dazu verleiten, nicht mehr zu telefonieren.
Infrastruktur bestimmt die Meinungsfreiheit
Vor dem Hintergrund der Sperrung der WikiLeaks-Konten warnte jüngst auch Rebecca MacKinnon, unter anderem Mitgründerin von Global Voices Online, auf CNN davor, dass die Infrastruktur des Netzes von privaten Firmen beherrscht wird, die am Ende über unsere Meinungsfreiheit bestimmen. In ihrem Beitrag resümiert sie mehrere Fälle seit 2008, in denen Politiker mehr oder weniger erfolgreich bei privaten Internet-Firmen intervenierten, um unliebsame Inhalte - und nein, keine KiPo - entfernen zu lassen. Auch wenn die Weste alles andere als weiss ist, scheint sich hier Google als besonders resistent gegenüber solchen Zensur-Bemühungen zu erweisen.
Miguel Helft nimmt sich in dieser Angelegenheit : Facebook hatte nämlich eine Seite gelöscht, auf der WikiLeaks-Unterstützer die Angriffe auf PayPal, Mastercard etc. koordinierten. Schwerer Protest war die Folge. "Facebook stellt selten jeden zufrieden", stellt Helft fest. "Jeder Inhalt - eine Fotografie, ein Video oder eine Botschaft zwischen zwei Personen - kann jemanden beleidigen." Was irritiert, seien die Entscheidungen der Firma, gewisse Inhlate - etwa Material von Holocaust-Leugnern, Kritikern des Islam oder anderer Religionen - nicht zu löschen (was manche Staaten veranlasste, den Zugang zu Facebook zu sperren), während anderes wie zum Beispiel Bilder von stillenden Müttern oder eben Seiten von WikiLeaks-Unterstützern umgehend entfernt werden.
Ausweg offene Infrastruktur?
Ausgangspunkt für eine interessante Initiative ist die Löschung der DNS-Einträge von wikileaks.org durch den Provider (Hintergrundinformationen zu DNS hier). Während das Internet so konstruiert ist, dass es trotz Ausfall mehrerer Knoten weiter funktioniert, ist die klassische DNS zur Zuordnung von IP-Adressen zu Domian-Namen ein "ausreichend zentralisiertes System, so dass sich Sperren doch recht leicht implementieren lassen" (netzpolitik.org).
Pirate Bay-Gründer Peter Sunde arbeitet zusammen mit anderen an einem alternativen DNS auf Peer-to-Peer-Basis (P2P-DNS, Blog dazu hier). Damit soll sichergestellt werden, dass Seiten eben nicht durch eine zentrale, von Staaten kontrollierte Instanz wie die ICANN zensiert werden können. Es soll jeder, der ein kleines Programm auf seinem Computer installiert, Domains erreichen können, die als Endung .p2p haben zum Beispiel eben wortgefecht.p2p. Die Verwaltung der Adressen würde also nicht mehr den weltweit 13 Root Nameservern obliegen.
Quellen: perlentaucher, golem, zeit.de u.a.
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