Das Konzept der Folksonomy

Semantic Network

Wie gestern in diesem Beitrag angesprochen existieren zwei populäre Methoden, um das Problem der Organisation von Information zu adressieren. Die eine - Taxonomie - ist eher traditionell-hierarchisch, die andere - Folksonomie - setzt auf die vielbeschworene "Weisheit der Massen". Während der erste Ansatz seit langer Zeit weit verbreitet ist, hat sich die Praxis der Schaffung von Folksonomien mittels Tags erst in der jüngsten Vergangenheit etabliert. Nachfolgend will ich die Vor- und Nachteile von Folksonomien beschreiben und eine kurze Bewertung wagen.

Vor- und Nachteile von Folksonomien

Eine Gruppe von Menschen kann mit der freien Vergabe von Tags relativ rasch grosse Mengen an Informationen organisieren, jeder Nutzer kann zur Verschlagwortung beitragen. "So verteilt sich zum einen der Kategorisierungsaufwand auf viele Schultern, zum anderen werden bessere Such-Ergebnisse erzielt, wenn die Informationsobjekte auch von denjenigen kategorisiert werden, die sie auch benutzen.

Neben individuellen Nutzen für die Selbstorganisation des einzelnen Nutzers hat dieser die Möglichkeit, seine Schlagwortsammlung der Allgemeinheit zugänglich zu machen. So können zum Beispiel Dokumente mit identischen Schlagwörtern oder Nutzer mit ähnlichen Interessen (welche anhand ihrer Schlagwörter identifiziert werden) in Verbindung gebracht werden. Das offene Teilen der Schlagwörterzuordnungen der Einzelnen mit Anderen bietet der Gemeinschaft einerseits eine gute Suchmöglichkeit (gemeinsames Erschließen eines Informationsraumes), erlaubt es einzelnen Benutzern aber auch, über die Zuordnung der Schlagwörter zu Benutzern auf andere Objekte oder andere Sichtweisen aufmerksam zu werden." (Wikipedia)

Folksonomy by Maarten Janssen
Schematische Darstellung einer Folksonomie nach Maarten Janssen

Andererseits kann dieses freie Taggen auch aus dem Ruder laufen. Alleine schon die Tatsache, dass nicht alle Nutzer unter demselben Begriff (Tag) auch dasselbe verstehen, sorgt für Mehrdeutigkeiten. Zudem können sich Folksonomien innerhalb geschlossener Gruppen wie zum Beispiel Unternehmen auch rasch in informelle, starre Taxonomien verwandeln, die für neue Mitglieder (Mitarbeiter) eine grosse Hürde darstellen.

So hat eine Studie (Guy & Tonkin 2006) festgestellt, dass 40 Prozent der Tags auf Flickr und 28 Prozent auf Delicious mangel- bzw. fehlerhaft (flawed) sind. Zu den gängigsten Mängeln gehören unter anderem:

  • Schreibfehler,
  • subjektive Interpretation (z.B. „Web 2.0“ vs. „Enterprise 2.0“),
  • (falsch) zusammengesetzte Begriffe, die es u.U. gar nicht gibt (z.B.“ enterpriseintranet“ vs. „enterprise_intranet“ vs. „enterprise-intranet“), und
  • persönliche Tags, die nur für einen einzigen User von spezifischem Nutzen sind.

Hierarchisch oder doch lieber nutzergeneriert?

Der allgemeine Trend bei der elektronischen Datenablage entfernt sich immer mehr von der traditionellen hierarchischen Ordnerstruktur, wie man sie lokal praktiziert. Mit SharePoint 2010 ist es z.B. möglich, die einzelnen Nutzer von der Aufgabe, den richtigen physischen Ort für ein Dokument zu finden, zu entbinden. Die Software legt die Dokumente irgendwo in der Farm ab, denn gefunden, sortiert und in Listen ausgegeben werden sie einzig aufgrund der Metadaten.

Heisst das nun, dass man gänzlich auf ein vorgegebenes Vokabular einer Taxonomie verzichten kann/muss? Oder liessen sich beide Ansätze nicht auch verbinden? In der Tat bieten sich Folksonomien an, um die eigene eventuell schon bestehende Taxonomie auszubauen und aktuell zu halten. Bietet man also dem Nutzer die Gelegenheit, Dokumente nicht nur mit vorgängig festgelegten Schlagworten, sondern auch mit frei wählbaren Tags zu versehen, befördert man nicht nur die individuelle Selbstorganisation (vermeintlich persönliche Tags, die für andere nicht von Nutzen sind, können nämlich der Produktivität des Einzelnen durchaus dienlich sein). Vielmehr schafft man sich so auch einen schier unerschöpflichen Pool an neuen oder "besseren" Schlagworten, die der konstanten Weiterentwicklung der eigenen Taxonomie dienen. Schliesslich gibt es in jedem System eine Lernkurve, an der man sich entlang "hangeln" kann.

folksonomy, tagging, selbstorganisation, knowledge-management

Kommentare

Ludwig

Hallo! Eine schöne Graphik zum Thema Tags, bringt das System gut rüber. Aus der Arbeit mit Kooperationspartnern und Kunden merke ich immer wieder, dass es einfacher zu sein scheint sich an Wiki-Funktionalitäten zu gewöhnen, als an Tagging - jedenfalls dauert letzteres fast immer länger...

Die Frage der Zwischenüberschrift lautet ob hierarchisch oder doch lieber nutzergenieriert. Aus meiner Sicht: weder noch in dieser Eindeutigkeit, sondern sinnvoll kombiniert. So habe ich in Wikis noch nie völlig unstrukturierte Inhalte i.S. fehlender Taxonomie erlebt. Es gibt immer Spaces, Oberseiten, Unterseiten. Wenn auch weniger Struktur im klassischen Sinne. Ergänzt dafür um folksonomische Elemente.

Ich stelle außerdem bei mir selbst fest, dass ich gern meine Suchroutinen wechsle. Mal über die Hierarchie, mal über Schlagworte und links. Warum und nach welchem System? Müsste ich mal darüber schlafen ;-) ...

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